EMSIGER HEIMATFORSCHER Werner Reusch hat sein fünftes Buch „Flugplatz Kirch-Göns – Ayers Kaserne – Magna Park“ veröffentlicht
NIEDERKLEEN/EBERSGÖNS „So was muss man wollen, was ich hier mache“, bekennt Werner Reusch. Der Ebersgönser hat kürzlich sein fünftes Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel „Flugplatz Kirch-Göns – Ayers Kaserne – Magna Park“, hat 643 Seiten, 860 Bilder und schlägt einen zeitgeschichtlichen Bogen von Mitte der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis heute. Fünf Jahre hat er daran gearbeitet. Werner Reusch führt seine Leser zurück in die vergangenen 80 Jahre, lässt mit spannenden, amüsanten und nachdenklichen Geschichten, Zeitungsartikeln und Dokumenten die Geschehnisse rund um Bau und Betrieb des Flugplatzes während der Nazizeit, das Treiben in und um die Ayers Kaserne inklusive des damals regen Nachtlebens und schließlich die Entstehung des Magna Parks lebendig werden. Unzählige, zum Teil noch nie veröffentlichte Bilder, auch aus den Nachbargemeinden, runden das umfangreiche Buch ab. „Was da oben insbesondere während der Zeit der Ayers Kaserne für ein Leben war, was da los war“, ist Werner Reusch nach wie vor von einer Zeit begeistert, die er als Kind selbst miterlebt hat. An der Straße reihten sich Bars und Clubs, berühmt-berüchtigt war beispielsweise die Broadway-Bar in Pohl-Göns mit ihren “leichten Mädels”. Reusch weiß auch vieles über den Flugplatzbau ab 1936: „Der Flugplatz sollte als solcher nicht erkannt werden, es wurde Landwirtschaft vorgetäuscht, es gab sogar einen Schäfer, und die Gebäude waren als Gutshof getarnt. Die Flugzeuge standen versteckt im Wald. Von Kirch-Göns starteten übrigens nur Aufklärer, keine Bomber.“ An Heiligabend 1944 bombardierten die Amerikaner den Flugplatz. 1952 errichteten sie auf dem Gelände kurzzeitig einen Schießplatz, noch im selben Jahr begann der Bau der Kaserne. Die offizielle Buchvorstellung fand im Bürgerhaus Kirch-Göns vor großem Publikum statt. „Aktuell ist die erste Auflage bis auf wenige Exemplare bereits verkauft“, freut sich der Buchautor über das große Interesse. Wie kam Werner Reusch dazu, dieses schon vom Umfang her beeindruckende Buch zu schreiben? Er erzählt: „Der Gedanke, eine ausführliche Dokumentation vom Bau des Flugplatzes Kirch-Göns im Jahr 1936 bis zur Schließung der Ayers Kaserne 1997 zu erstellen, hat sich bei mir 2004 gefestigt. Zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten Gebäude der ehemaligen Ayers Kaserne abgerissen.“ Der Hobby-Heimatforscher, der eine Lehre als Maschinenschlosser absolviert hat, später Krankenpflege und Pflegemanagement gelernt und bis zu seiner Rente im vergangenen Oktober Pflegeleiter war, zweifelte jedoch erst, ob es für das Thema Ayers Kaserne überhaupt Interessenten geben würde. „In meinem Heimatbuch ‚Wäi die Bimbel noach ean Polgies gehale hoat‘ von 1998 und im Heimatbuch ‚850 Jahre Kirch-Göns‘ von 2000, wurden bereits der Flugplatz Kirch-Göns und die Ayers Kaserne mit einem Artikel bedacht. Aussagekräftige Fotos und Daten über die Kaserne konnten damals aber kaum gesichtet werden. Bilder vom Militärgelände waren nicht zulässig“, erinnert sich Reusch. Bereits 1989 hatte er sein erstes Heimatbuch mit dem Titel „Pohl-Göns – Unsere Heimat“ veröffentlicht, 2005 folgte „100 Jahre TV Pohl-Göns“. „Mein Gedanke mit dem Schreiben zu beginnen habe ich also erst mal wieder in die berühmte Schublade gelegt“, sagt er. Stattdessen widmete er sich zunächst einem anderen Projekt: „2011 konnte ich dann erst mal mein Ebersgönser Heimatbuch mit 584 Seiten und etwa 1500 Bildern vorstellen: ‚Hausnoame ean aahle Gasse“ – Voh de Keuhtripp bis bein Weiße Stoa‘. Aber in dieser Zeit hatten meine Überlegungen, etwas über den Flugplatz Kirch-Göns und die Ayers Kaserne zu schreiben, nicht geruht!“ 2011 hatte Reusch ein Gespräch mit Veronica Scholz aus Niederkleen, die junge Frau arbeitete damals an einer Studienarbeit mit dem Thema „Vom Agrarland zum Gewerbe- und Industriestandort? Am Beispiel des Dorfes Niederkleen und dem Hüttenberg“. Sie meinte, dass „diese Geschehnisse hier auf dem ehemaligen Militärgelände eigentlich einmal aufgeschrieben“ werden müssten. „Diese Anregung habe ich aufgegriffen und ab 2011 erste Kontakte mit Kirch-Gönser, Langgönser und Pohl-Gönser Bürgern aufgenommen“, erzählt der Autor. Die erste offizielle Zeitzeugin war am 14. April 2012 Luise Heiden aus Kirch-Göns, die von 1972 bis 1991 in der Kaserne arbeitete. Zum Zeitpunkt des Gespräches war Luise Heiden im stolzen Alter von 99 Jahren und vier Monaten sie wurde 101 Jahre und zehn Monate alt. Die Befragung 50 weiterer Zeitzeugen, speziell zu den Themen Flugplatz Kirch-Göns, der Ayers Kaserne und über Taxifahrer und Geschäfte vor der Ayers Kaserne, folgte. Ihnen gilt Reuschs besonderer Dank, „denn ohne deren Informationen wäre ein Stück Kirch-Gönser Geschichte nicht dokumentierbar gewesen!“ Beim Recherchieren im Stadtarchiv Butzbach fasste Werner Reusch außerdem den Entschluss, alle gebundenen Jahrgänge der Butzbacher Zeitung von 1951 bis 2004 durchzusehen. Es waren etwa 250 Bände mit insgesamt über 500.000 Seiten! „Die mühselige Arbeit hat sich gelohnt, denn ich konnte viele Zeitungsberichte über Amerikaner in Kirch-Göns und Butzbach mit genauen Daten und interessantem Bildmaterial entdecken. Nach drei Jahren ‚Stöbern und Blättern‘ konnte ich eine Auswahl treffen und mein angedachtes Konzept umsetzen.“ Reusch hat viele Texte im Original belassen, kleine Passagen geändert oder umgeschrieben. „In den Zeitungsartikeln wurde sehr ausführlich beschrieben, wie großzügig die Amerikaner in Butzbach und der Umgebung die Deutschen beim Bau von Sportstätten und sozialen Einrichtungen materiell unterstützt haben. Deutsch-amerikanische Freundschaftsfeste wurden tausendfach besucht und bis heute pflegen viele Deutsche und ehemalige GIs noch gute Kontakte miteinander“, weiß er. Es wurden aber auch Auseinandersetzungen zwischen Amerikanern und Deutschen in Butzbach und der Umgebung beschrieben, sowie Übergriffe einzelner Soldaten. All diese Berichte hat Reusch bewusst nicht ausgegliedert, „um so dem Leser zu vermitteln, wie die Presse zu dieser Zeit die Geschehnisse beschrieben hat“. Im Mai dieses Jahres war sein Konzept über das Buchprojekt fertig. „Ich habe dann Kontakt aufgenommen mit dem Spediteur Wolfgang Bork, der den Magna Park entwickelt, und ihm mein Vorhaben geschildert. Er hat seine Zusage gegeben, Führungen auf dem Gelände zu machen und auch die Kirche für einen Vortrag zu nutzen. In der Zeit von Juli bis September 2016 habe ich fünf Führungen und einen Vortrag angeboten, zu denen insgesamt rund 850 (!) Besucher kamen“, berichtet Reusch. Was für eine Riesenresonanz! „Ohne die großzügige Hilfe und Unterstützung von Wolfgang Bork wäre das alles nicht möglich gewesen“, betont der Autor. Schon nach der ersten und den weiteren Führungen bekam er von Teilnehmern für sein fertiges Manuskript neues, ihm bis dato nicht bekanntes Bildmaterial und Informationen. „So habe ich etwa 100 Seiten des Buchs noch mal überarbeitet und die Bilder und Daten eingefügt“, sagt der emsige Heimatforscher. Das Buch zum Preis von 40 Euro kann bei Werner Reusch erworben werden.