Sonderbericht zu den Tagen der offenen Höfe am 24. und 25. Juni 2000
850 Jahre Kirch-Göns
Wenn es in meiner Jugendzeit Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hieß „die Dreschmaschine kommt“, dann war das für uns Kinder immer etwas Besonderes. Da war Leben auf dem Hof, da gab es viel zu sehen, hören und erleben.
Es fing damit an, dass die aus Sicht von uns Kindern riesige Dreschmaschine durch einen ebenso großen Traktor in den Hof und dann in die Scheune geschoben wurde. Danach wurden Traktor und Dreschmaschine mit einem breiten Transmissionsriemen verbunden, der über Kreuz lief, damit er nicht vom Schwung- bzw. Übertragungsgrad abfiel.
Bis in die vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden zum Antrieb der Dreschmaschine auf fahrbare Dampfmaschinen benutzt. In die Nähe des Transmissionsriemens durfte man nicht kommen, die Verletzungsgefahr war groß. Da war aber auch der Reiz des Verbotenen. Es wurde als Mutprobe empfunden, unter dem Transmissionsriemen durchzuschlüpfen, bis man dann ausgeschimpft und weggeschickt wurde.
Der Traktor, der in meiner Jugendzeit die Dreschmaschine antrieb, verbreitete den ganzen Tag über Gestank und Krach. Er stand da und ruckelte ständig hin und her. Auch die Dreschmaschine war immer in Bewegung, der ganze Aufbau vibrierte von den Kräften, die im Inneren die Getreidehalme droschen. An den Seiten und unter der Maschine sah man Gestänge sich bewegen, deren genaue Funktion man nicht kannte. Oben auf dem Getreideboden der Scheune standen Männer, die die einzelnen Getreidegarben von dort auf die Dreschmaschine gabelten. Die dort postierten Männer nannte man „Einleger“. Sie nahmen die Garben und beförderten sie in das Innere der Dreschmaschine. Arbeiten, bei denen heute die Gewerbeaufsicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde.
Die in der Scheune und auf der Maschine arbeitenden Männer waren sehr starker Staubbildung ausgesetzt. Vielen banden sich daher ein Taschentuch vor Mund und Nase. Wenn sie herunterkamen, waren sie grau vor Staub, der sie überall bedeckte. Waren einige Garben, in die Dreschmaschine geworfen, dauerte s ein paar Minuten, dann rieselten die Getreidekörner durch eine Abfüllvorrichtung in bereitstehende Jutesäcke. Damit die Träger die schweren Zentnersäcke nicht vom Boden auf den Rücken heben mussten, gab es an der Dreschmaschine eine Art Aufzug. Hier stellte man die vollen Säcke drauf, der Aufzug fuhr hoch und die Träger konnten den Getreidesack auf die Schulter nehmen, der dann auf den so genannten Fruchtspeicher getragen wurde. Meist war dieser Speicher der des Wohnhauses, reichere Bauern hatten einen besonderen Fruchtspeicher in Nebengebäuden.
Die Träger waren ausgesuchte starke Männer, die die Zentnersäcke über Treppen auf den Speicher trugen. Eine schwere und schweißtreibende Arbeit. Erst Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts kam spezielle Getreidepumpen auf, die die Arbeit der Träger übernahmen. ür uns Kinder war der Aufzug an der Dreschmaschine ein wunderbares Spielzeug. Während sich der am Abfüllstutzen angeklemmte Getreidesack langsam füllte, war der Aufzug der ja arbeitslos. Da stellten wir Kinder uns auf ihn und ließen uns hochfahren, um dann von etwa einem Meter Höhe herunterzuspringen.
Die Arbeit der „Dreschmaschine“ war hart und forderte dem Körper viel ab. Es kam „Gutes Essen“, sprich kalorienhaltiges, auf den Tisch. Zum Frühstück gab es Hausmacher Wurst und Brot, zum Mittagessen meist Rippchen mit Kraut, manchmal auch Kotelett mit Kartoffeln. Und damals hat noch keiner den Fettrand am Fleisch abgeschnitten. Für uns Kinder wichtig waren die so genannten süßen Weck, die „Aäjerweck“ und die „Gräwezell“ aus Brotteig mit ausgelassen Speckgrieben beim nachtmittäglichen Kaffeetrinken. Die gab es sonst nämlich nicht. Da haben wir Kinder dann zugeschlagen und uns die selbst gemachte Marmelade, den „Schelee“, ganz dick drauf aufgeschmiert. Eine leichte Ahnung von all den Besonderheiten, die mit dem Kommen der Dreschmaschine zusammenhingen, kann man bei den Kirch-Gönser Tagen der offenen Höfe am kommenden Wochenende erleben.
Im Anwesen von Klaus Volk in der Hauptstraße 30 tritt jeweils um 15.00 Uhr eine Dreschmaschine in Aktion, angetrieben von einem alten Lanz-Bulldog. Woher aber kommt das Getreide zum Dreschen. Um diese Jahreszeit ist das Korn ja noch nicht reif. Hier musste vorausgeplant werden. Im Juli letzten Jahres zur Erntezeit führten Mitglieder des Kirch-Gönser Heimat- und Backhausverein eine historische Getreideernte durch. Wie in der Zeit um 1900 wurden die Getreidehalme mit dem so genannten „Reff“, einer Sense mit einer speziellen Vorrichtung zum Auffangen der Halme, abgemäht.
Dann wurden die Getreidehalme zu „Garben“ gebunden. Hierzu wurden Stricker, aber auch die so genannten „Struuhwirr“ genommen, die aus Strohalmen mit einer besonderen Technik gewunden werden. Nach dem Trocknen auf dem Feld wurden die Garben in Kirch-Göns in der Scheune von „Hesse“ der Familie Ewald Eckard, eingelagert, damit jetzt bei den Vorführungen die Dreschmaschine damit gefüttert werden kann.
