Eröffnung Bahnhof

Jubiläum an der Main-Weser-Bahn: 100 Jahre Haltepunkt Kirch-Göns – Bericht Von Dieter Eckert

Für die Main-Weser-Bahn sind 2002 in unserer Region gleich zwei Jubiläen zu verzeichnen: die Fertigstellung des Abschnitts Gießen-Langgöns vor 150 Jahren und die Eröffnung des Haltepunktes Kirch-Göns vor 100 Jahren.

Die heute zweigleisige Hauptstrecke Frankfurt-Gießen-Kassel entstand ab 1849 in mehreren Etappen auf Veranlassung von Kurhessen, Hessen-Darmstadt und der freien Stadt Frankfurt und war seinerzeit die erste Schienenverbindung zwischen Süd- und Norddeutschland. Von Norden her kommend erreichten die Gleise am 25. August 1850 Gießen, der südliche Abschnitt konnte ab 1. Mai 1851 bis Langgöns befahren werden.

Der Bau des nur etwa zehn Kilometer langen Mittelstücks war mit großen Schwierigkeiten verbunden, da für die Errichtung der hohen Bahndämme große Mengen von Aufschüttungsmaterial benötigt wurde und Tonablagerungen zu Rutschungen führten. Erst am 15. Mai 1852 begann der durchgehende Zugverkehr zwischen Frankfurt und Gießen. Zwischen Gießen und Friedberg bestanden anfangs nur die Bahnhöfe Langgöns, Butzbach und Bad Nauheim. Die dazwischenliegenden Stationen wurden wesentlich später eröffnet, da sich die betreffenden Kommunen an Geländebereitstellung und Herstellungskosten beteiligen mussten. Der am 1. November 1886 in Betrieb genommene Haltepunkt Großen-Linden wurde später zum Bahnhof ausgebaut, und in Ostheim (bei Butzbach) halten Personenzüge seit dem 1. Oktober 1887.

Für die Einwohner des zum Kreis Friedberg gehörenden Dorfes Kirch-Göns war die nächstgelegene Bahnstation im etwa drei Kilometer entfernten Langgöns jenseits der Kreisgrenze. Soweit nicht die Landwirtschaft als Haupterwerb diente, arbeiteten viele Kirch-Gönser in Industriebetrieben in Butzbach, dem zuständigen Verwaltungs- und Schulort. Erste Bemühungen um Einrichtung eines Haltepunktes scheiterten am Widerstand der Eisenbahndirektion, die zunächst das starke Gefälle zwischen Kirch-Göns (217 m) und Butzbach (204 m) als technische Problem angab. Späte wurde die Wirtschaftlichkeit in Frage gestellt.

Eine Unterschriftensammlmung und die Einschaltung des zuständigen Reichstagsbabgeordneten führten schließlich zum Erfolg. Am 28. April 1902 erhielt die Großherzögliche Bürgermeisterei von der Direktion Frankfurt die Mitteilung, dass der Haltepunkt genehmigt und ein einmaliger Betrag von 12000 Mark zu zahlen sei. Bereits im Juni begannen die Bauarbeiten an der Kilometerstelle 146 (Zählung ab Kassel), wo der Holzheimer Weg, die heutige Bahnhofstraße, die Bahnstrecke kreuzte. Hier befand sich seit Streckenöffnung ein Bahnwärterhaus mit Schrankenposten.

Auf dieser zum Dorf liegeneden Seite wurde ein eingeschossiger Fachwerkbau mit Flachdach errichtet, während gegenüberliegend für Reisende Richtung Gießen lediglich ein Holzverschlag Unterstellmöglichkeit bot. Sozusagen als Weihnachtsgeschenk fand am 15. Dezember 1902 die feierliche Eröffung des Haltepunktes statt. Zu dem 12.33 Uhr von Gießen ankommenden Persoenzug hatten sich die Gemeinde-, Schul- und Kirchenvorstand sowie zahlreiche Einwohner eingefunden, um dieses Ereignis mit Reden und Liedern festglich zu begehen. Arbeiter, Krieger- und Turnverein veranstalteten abends einen Fackelzug. Zunächst hielten fünf Züge in jede Richtung, deren Benutzung sehr zufrieden stellend verlief. Schon im darauf folgenden Jahr waren die Fahrkarteneinnahmen doppelt so hoch wie die Betriebskosten.

Der Haltepunkt lag anfangs etwa einen Kilometer vom Ortskern entfernt und beeinflusste nach dem Zweiten Weltkrieg die bauliche Entwicklung hin zur so genannten Stautzert. Die sofort einsetzende starke Frequentierung des Haltepunktes zeigte sich darin, dass neben dem Bahnwärterhaus gleich zwei Gastwirtschaften gebaut wurden („Jägerruh“ und „Kühler Grund“) die heute nicht mehr bestehen.

Nach 1945 veränderten sich Ortsbild und Bevölkerungszusammensetzung in Kirch-Göns schlagartig. Durch den Zuzug von Vertriebenen erhöhte sich die Einwohnerzahl von etwa 850 im Jahre 1939 auf etwa 1350 im Jahre 1946. Dies führt zu einer baldigen Bebauung der Bahnhofstraße und später des Gebiets östlich der Bahnlinie. Das Dorfgeschehen wurde durch amerikanische Soldaten bereichert, die ab 1953 in der auf dem früheren Flugplatz der Wehrmacht errichteten Ayers-Kaserne stationiert waren.

Ende 1996 wurde der Standort Kirch-Göns von den Amerikanern ganz aufgegeben und die Einheiten nach Gießen verlegt. Dieser rasche Bevölkerungszuwachs bewirkte einen großen Anstieg der Zahl der Eisenbahnfahrgäste, sodass das alte Stationsgebäude weder räumlich noch betrieblich den Anforderungen genügte, zumal es sich in einem verwahrlosten Zustand befand. Im Herbst 1957 wurde der „Bahnhof“ von der Deutschen Bundesbahn abgerissen und an derselben Stelle durch den heutigen Neubau ersetzt, der mit Fahrkarten- und Gepäckschalter, sowie Dienst- und Warteraum ausgestattet war. Ein Vorbau mit großen Fenstern bot dem Fahrdienstleiter weite Sicht und die Schrankenbedienung erfolgte ab nun von innen. Die Inbetriebnahme geschah Anfang Januar 1958.

Als zu Beginn der 70er Jahre der Bahnübergang durch eine nördlich davon errichtete Straßenbrücke ersetzt wurde, erhielt Kirch-Göns den Status eines unbesetzten Haltepunkts. Die Fenster wurden zugemauert und der Warteraum geschlossen. Automaten übernahmen den Fahrkartenverkauf. An die Zeit der Amerikaner erinnern noch heute zweisprachige Hinweisschilder. Während des aktuellen Jahresfahrplans 2001/2002 halten alle Regionalbahnen zwischen Gießen und Friedberg in Kirch-Göns, daräber hinaus gibt es frühmorgens sowie abends einige durchgehende Regionalexpress-Verbindungen nach bzw. von Frankfurt. Von der Omnibuslinie FB-100 der Butzbach-Licher Eisenbahn (Butzbach-Cleeberg) wird der Kirch-Gönser Bahnhof zu bestimmten Zeiten angefahren.

Literatur: 1. Butzbacher Zeitung, 14.12.1902, 17.12.1902, 16.04.1957, 21.11.1957, 11./12.01.1958, 27.09.1975. 2. Hofmann Philipp, Der Bau der Main-Weser-Bahn: In: 700 Jahr-Feier Lang-Göns, 100 Jahre Main-Weser-Bahn, 17. – 19. Mai 1952, Hrsg. von der Gemeinde Lang-Göns 1952, S. 37-47. 3. Born, Erhard. Die Main-Weser-Bahn als Mittelglied des werdenden deutschen Eisenbahnnetzes. In ebenda, S. 59 – 65, 4. Pfeiffer, Dieter: Wie die Eisenbahn nach Kirch-Göns kam. In: 850 Jahre Kirch-Göns. Eine Dorfchronik, Butzbach, 2000. S. 191 – 194.

Quelle und Bilder: Hessische Heimat vom 6. April 2002