Die Ayers-Kaserne beherbergte einst Tausende von US-Soldaten. Sie entsorgten ihre Abfälle in einem früheren Steinbruch. Das gefährdet das Grundwasser.
Die Ayers-Kaserne zwischen Langgöns (Kreis Gießen) und Butzbach (Wetteraukreis) war einst Heimat tausender US-Soldaten. Ihren Müll, darunter auch viele alte Autos, entsorgten sie in einem früheren Steinbruch. Vor rund 50 Jahren mit Erde abgedeckt rückt das »Ami-Loch« wieder in die Aufmerksamkeit: Mit zwei Messpunkten soll rechtzeitig festgestellt werden, ob von dort Giftstoffe in das Niederkleener Grundwasser eindringen. Zwischen kargen Schneeresten ragen Büsche wie Besenreiser in den kalten Januarhimmel, an dessen Horizont über Niederkleen Heizungsdunst in den Himmel steigt. Leere Flaschen, Dosen, Taschentücher liegen umher. Dieser Müll ist zwar ärgerlich, aber nicht das Problem. Sorgen bereitet viel mehr, was hier im Untergrund liegt. »Ami-Loch« wird die Ecke im Volksmund genannt – und das mit gutem Grund. An der Landesstraße zwischen Niederkleen und Pohl-Göns lagen einst drei Steinbrüche. Wie früher üblich wurden diese, als sich der Abbau nicht mehr rentierte, als Müllhalden verwendet. Bis vor hundert Jahren wuchsen solche Müllberge nur sehr langsam. Die Menschen auf den Dörfern versorgten sich großteils selbst, und die Verpackungen eingekaufter Waren waren entweder aus Papier oder wiederverwertbar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich dies jedoch. Im Handel gab es immer mehr Einwegverpackungen, die schnell zu einem Anwachsen der Müllmengen führten. Beim »Ami-Loch« geschah dies forciert – denn es war die Deponie der Erfinder des »American way of life«. US-Soldaten hatten das ehemals deutsche Flugplatzareal in ihren Truppenstützpunkt verwandelt. Und dort fiel jede Menge Müll an. Die Ayers-Kaserne bei Langgöns (Kreis Gießen): Müll stellt aus heutiger Sicht ein großes Problem dar. Denn egal ob Cola oder Cornflakes, Kaugummi oder Marshmallows – tonnenweise wurden Lebensmittel in die Kaserne importiert. Einiges befand sich in Pappkartons, vieles aber auch in Dosen. Waren diese leer oder abgelaufen, landeten sie auf der Deponie.
Für Hungrige und auch für Kinder war dies ein Eldorado. So wie viele andere trieb es auch Werner Reusch als Kind immer wieder auf die Deponie. Eigentlich waren die Bauersleute und Erntehelfer auf nahen Äckern beschäftigt. »Aber für uns war das Ami-Loch wesentlich interessanter als das Kartoffeln-Ausmachen«, erinnert er sich. Also wurde zur Müllhalde geschlichen. Viel Essen und auch mal ein original verpackter Kaugummi oder Schokolade lagen dort herum. Und manchmal sogar ein Playboy-Heft. Reusch sind vor allen Dingen die riesigen Ratten in Erinnerung geblieben. »So groß wie Kaninchen«, erzählt er. Da es auf der Müllhalde ständig brannte, kam es immer wieder mal vor, dass eine Spraydose explodierte. »Dann flohen plötzlich hunderte Ratten von der einen Mülldeponie über die Landesstraße in die nächste Deponie.« Bei der Schatzsuche mussten sich die Kinder und Jugendlichen auch vor denen in Acht nehmen, die sich durch die Lebensmittelsuche auf der Müllhalde ernährten oder sich mit dem Recycling von alten Dosen ein kleines zusätzliches Einkommen verdienten. Die US-Soldaten duldeten dies, da für sie der Müll wertlos war. Zu dem wertlosen Müll zählten allerdings auch Gegenstände, die aus heutiger Sicht ein großes Problem darstellen. Denn neben Lebensmittelresten wurden sämtliche Abfälle der Kaserne dort entsorgt. Nach einigen Jahren stapelten sich die Wracks ausgedienter Straßenkreuzer. Zunächst hatten die US-Soldaten alte Autos, wenn sie nicht mehr funktionierten, einfach auf Waldwegen abgestellt, die Nummernschilder abgeschraubt und ihrem Schicksal hinterlassen. Eine Autoverwertung gab es damals in der Provinz noch nicht.
Mit der Zeit landeten aber immer mehr Wagen im »Ami-Loch«. Augenzeugen können sich noch daran erinnern, wie dort das Öl abgelassen und die Autos einfach abgefackelt wurden. Auch Kabel wurden dort unter freiem Himmel verbrannt, um an das Kupfer heranzukommen. Tag und Nacht stieg schwarzer Rauch über dem Berg auf. In der »Butzbacher Zeitung« schrieb damals deren Verleger Wilfred Gratzfeld über einen Besuch auf der Deponie: »Die vor Hitze flimmernde Luft ist angefüllt mit beißendem Geruch brennender Kabel und erhitzter Metalle. Was da aufeinandergetürmt und teilweise völlig deformiert als schwarzes Gebilde auftaucht, verrät nichts mehr von einstigen 120 PS, automatischem Getriebe oder elektrisch betätigten Fenstern. Ausgeschlachtet bis auf das Chassis, ohne Motor und Achsen, liegen hier Straßenkreuzer gleichberechtigt neben alten Rettungswagen und Jeeps, die vielleicht schon in Korea waren.« Nacheinander wurden die Mülldeponien mit Erde abgedeckt. Werner Reusch erlebte das bei der ersten mit, da sein Vater als selbstständiger Spediteur mit seinem Laster dort sehr oft Erde abkippte. Vor rund einem halben Jahrhundert war das »Ami-Loch« schließlich Geschichte. Zwar mag mittlerweile Gras und auch Gebüsch über die Sache gewachsen sein. Doch das ändert nichts an dem Inhalt des Müllberges. Das für die Altdeponie zuständige Regierungspräsidium (RP) Gießen berichtet, dass »die Einlagerung von Bitumen-, Asphalt- und Brikettabfällen, sowie von Bauschutt (nicht Baustellenabfällen) und Hausmüll bekannt« sei. Die Einlagerung weiterer gefährlicher Abfälle sei nicht aktenkundig. Aus heutiger Sicht wäre eine Deponie ohne Basisabdichtung – und das sind die drei bei Niederkleen – nicht mehr zulässig. Zu groß wäre die Gefahr, dass das Grundwasser verunreinigt werden könnte.
Bislang scheint das »Ami-Loch« dichtzuhalten. »Eine letzte Grundwasseruntersuchung fand im Jahr 2004 statt, bei der keine akute Gefährdung vorlag«, teilt RP-Pressesprecher Thorsten Haas auf Anfrage mit. »Die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung wurden dabei nach meiner Kenntnis nicht überschritten, sodass hiervon keine Gefährdung für das Grundwasser anzunehmen ist.« Auch der Austritt von Deponiegas konnte bei Untersuchungen vor gut 20 Jahren nicht festgestellt werden. Eine Notwendigkeit weiterer Untersuchungen des abgelagerten Materials werde derzeit nicht gesehen.
Bergab der Deponien befindet sich der Niederkleener Grundwasserbrunnen. »Der wird regelmäßig durch das Gesundheitsamt auf Altlasten-relevante Parameter untersucht«, sagt Haas. »Eine Grenzwertüberschreitung gemäß der Trinkwasserverordnung wurde bisher nicht festgestellt.«
Jedoch soll die Kontrolldichte nun deutlich erhöht werden. Die Gemeinde Langgöns lässt für 250.000 Euro zwei Grundwassermessstellen bauen. Durch ihre Lage bilden sie zum »Ami-Loch« ein Dreieck und sollen so frühzeitig anzeigen, wenn es zu Ausschwemmungen grundwassergefährdender Stoffe kommen würde. Zudem will man mit ihnen auch feststellen, ob die Deponie wirklich im Einzugsbereich des Brunnens liegt oder auch langfristig zumindest für die Niederkleener Wasserversorgung keine Gefahr birgt.
Die Mülldeponie aufzugraben und das Material anderweitig zu entsorgen ist derzeit nicht geplant, da aus sicherheitstechnischen Gründen keine Notwendigkeit gesehen werde, teilt das RP mit. Vielleicht kommt irgendwann der Moment, wo just solche alten Müllberge als Rohstoffquelle dienen werden.
1934 wurde der Flugplatz auf dem rund 1000 Hektar großen Areal zwischen Niederkleen, Kirch-Göns und Lang-Göns gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Areal zur Ayers-Kaserne der US-Soldaten. In Spitzenzeiten waren 6500 dort stationiert. 1997 endete die Kasernengeschichte. Mittlerweile liegt dort ein interkommunales Gewerbegebiet.
Quelle: Wetterauer Zeitung 30.01.2023
Quelle: Wetterauer Zeitung vom 30. Januar 2023
Quelle: Wetterauer Zeitung vom 30. Januar 2023
1934 wurde der Flugplatz auf dem rund 1000 Hektar großen Areal zwischen Niederkleen, Kirch-Göns und Lang-Göns gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Areal zur Ayers-Kaserne der US-Soldaten. In Spitzenzeiten waren 6500 dort stationiert. 1997 endete die Kasernengeschichte. Mittlerweile liegt dort ein interkommunales Gewerbegebiet.