Um mehr über die Geschichte des Flugplatzes, der Bunkeranlage und der Ayers-Kaserne im heutigen Magna-Park zu erfahren, trafen sich wieder über 120 Interessierte zwischen Kirch-Göns und Langgöns. Der Hobbyhistoriker Werner Reusch hat über mehrere Jahre hinweg über die Geschichte des Geländes recherchiert. Er sprach mit Zeitzeugen der vergangenen 81 Jahre und sammelte unzählige Bilder und Anekdoten. Eine kurze Zeitreise über das heutige Gelände der Spedition Bork, so beschreibt Reusch seine Führung. Außer ein paar Bunkermauern ist nichts mehr von der Geschichte zu sehen. Die genauen Beschreibungen des 63-Jährigen machen die Führung jedoch anschaulich. Fünf Bücher hat er bereits zum Thema verfasst. »Das neuste Buch wird im November erscheinen. »Dafür habe ich 500 000 Zeitungsseiten gesichtet. Ich konnte es auf 640 Seiten reduzieren«, scherzt Reusch. Für seine Bücher habe er mit 50 Zeitzeugen geredet und über 900 Bilder gesammelt. 1936 wurde das Gelände des heutigen Magna-Parks gerodet. Als einziges sei die »1000-Jährige Eiche« stehengeblieben: »Die Eiche war ein Treffpunkt für die Kirch-Gönser. Sie war innen hohl, 14 Kinder hatten darin Platz«, sagt Reusch. Der Baum habe auch die Bombardierung am 24. Dezember 1944 überstanden: »1000 Bomben fielen damals an Heiligabend. « In Reuschs Buch findet man Bilder vor und nach dem Angriff. Zum Zeitpunkt der Bombardierung sei Hitler in Langenhain gewesen: »Wenn die das gewusst hätten, dann hätten sie nicht Kirch-Göns bombardiert.« Auch mit Überlebenden des Bombardements habe Reusch gesprochen. Eine Mutter sei mit ihrer kleinen Tochter nochmal mit Glück davongekommen.
Am Zaun entlang läuft die Gruppe zum ehemaligen Flugplatz. Der Stacheldraht ist ein Überbleibsel der Zeit, in der bis zu 7000 Amerikaner auf dem Gebiet stationiert waren. Der Kirch-Gönser Flugplatz sei überwiegend für Aufklärungsflüge nach Frankreich genutzt wurden. »Auf dem Gelände befand sich ein Gutshof, der auch bewirtschaftet wurde. Er diente als Tarnung. Die 17 Staffelflugzeuge waren im Fichtenwald versteckt«, berichtet Reusch. Nach dem Krieg seien die alten Flugzeuge von den Anwohnern ausgeschlachtet wurden. An den Flugplatz oder eine Landebahn erinnert heute nichts mehr.
Die letzte Station der Führung befindet sich im Wald. Dort waren die Lebensmittelbunker der Soldaten. Über Stock und Stein und teilweise im Gänsemarsch gelangt die Gruppe dort hin. »Bevor die Amerikaner kamen, bekam ein junger Soldat die Aufgabe, die Bunker zu sprengen«, sagt Reusch. Darin haben sich aber noch 50 Tonnen Lebensmittel und Rotwein befunden. Der Soldat beschloss, die Vorräte an die Anwohner zu verteilen: »Lasst eure Handwagen daheim und holt die Kuhgespanne«, sollen sich die Menschen zugerufen haben. Die Nachricht verbreitete sich schnell. Nachdem alles leer war, sprengte der Soldat die Bunker und die Fahrstraße. »In Niederkleen gibt es viele Häuser, die mit Stahlträgern von den Bunkern wiederaufgebaut wurden. Die halten dann«, scherzt Reusch. Einige Besucher der Führung spielten in ihrer Kindheit in dem Wald. Sie fanden alte Munition und Baumaterialien. Manche haben den einen oder andern Fakt oder eine Anekdote hinzuzufügen. Die Gruppe ist gut gemischt, jede Generation ist vertreten. Reusch freut sich besonders darüber.
»Als die Kaserne abgerissen wurde, wusste ich, wenn ich jetzt nicht anfange, die Geschichte zusammenzutragen, wird alles vergessen«, sagt er. Der Ebersgönser ist Pflegedienstleiter und beschäftigt sich in seiner Freizeit mit der Geschichte des Flugplatzes und der Kaserne: »Ich könnte eine eigene Führung zum Thema ›Taxifahrer, Fräuleins, Ayers-Kaserne» anbieten«, sagt Reusch. Beim Sammeln des Materials käme er immer vom »Ästchen aufs Stöckchen.« Zweimal fand die Führung statt, beide Male sind über 100 Gäste gekommen. Reusch wird den Rundgang eventuell weiterhin anbieten.
Quelle: Wetterauer Zeitung vom 30. März 2019