Schalet oder Schales, was ist das denn?

Traditionsgericht beim MiMit, selbst gemacht im Kirch-Gönser Backhaus

Rauch steigt auf über dem Backhaus von Kirch-Göns. Ein Ackerwagen, hochbeladen mit Scheitholz und Reisigbündeln, parkt vor der Eingangstür. Es ist Dienstagnachmittag. Im Backhaus wird einer der beiden Öfen angeheizt. Am nächsten Tag soll dort drinnen das Essen für den Miteinander-Mittagstisch (MiMit) gegart werden. „Der Ofen muss langsam an Wärme gewinnen. Die Temperatur darf nicht zu schnell zu stark ansteigen.“, erklärt Günther Weber vom Kirch-Gönser Backhausverein. Er hat sich bereit erklärt dem Team vom MiMit bei seinem Vorhaben unter die Arme zu greifen.

Kürzlich war ein Ofenbauer vor Ort, um die Züge an einem der Öfen zu reparieren. Er hatte Weber und seinen Mitstreitern vom Backhausverein nützliche Hinweise zum richtigen Umgang und Befeuern gegeben. Nicht dass Weber die nötig hätte. Auf über 40 Jahre Erfahrung blickt er nun zurück. Doch: „Man lernt nie aus!“ Immer weniger werden es, die sich überhaupt noch mit dem Backen im Backhaus befassen. Viele langjährig aktive Anheizer und Bäckerinnen leben nicht mehr. Nachwuchs ist leider rar. Umso dankbarer zeigt sich die MiMit-Crew für Webers bereitwillige Unterstützung.

Vor einigen Monaten schon war unter den ehrenamtlichen Mittagstischlern der ev. Kirchengemeine Kirch-/Pohl-Göns der Gedanke gereift, Schalet zu machen. So nennt man diese traditionelle Hausmannskost zumindest in Pohl-Göns. Geriebene Kartoffeln mit geräucherten Bratwurst-Stücken, Speck und Zwiebeln in einer Auflaufform angerichtet. Schales wird das Essen in Kirch-Göns genannt. 

Während im Backhausofen die Glut glimmt und die Temperatur 250 Grad Celsius erreicht, herrscht im benachbarten Bürgerhaus emsiges Treiben. 18 fleißige Helferinnen und Helfer schälen Kartoffeln, Zwiebeln und Äpfel, schwitzen zweite an, musen und kochen letztere zu Brei, schneiden Wurst und Speck, stellen Tische und Stühle, decken ein und dekorieren. Irmi Röhrig führt das Zepter in der Küche. Inge Hanack hat wieder für den Schmuck gesorgt. Verschieden Kürbisse mit wundervoll herbstlich-bunten Gestecken ausdrapiert. 100 Gäste haben sich zum Essen angemeldet. Es könnte eng werden im Bürgerhaus.

Es ist reichlich Arbeit, für so viele Menschen Essen komplett selbst zu machen. Doch mit zahlreichen Händen geht es zügig voran. Und auch der Spaß bei der Arbeit kommt nicht zu kurz. Angela Brandenburger und Irmi Röhrig sorgen mit munter herausgehauenen Sprüchen für einige Lacher und große Heiterkeit. Vielleicht ist es aber auch das eine oder andere Gläschen Hochprozentiges, was zur gelösten Stimmung beiträgt.

Um 6:30 Uhr am Mittwochmorgen stehen Dieter Lanze und Günther Weber schon wieder im Backhaus. In die warme Asche hinein wird Holz nachgelegt und noch einmal Feuer angezündet. Gut 380 Grad wird der Ofen gegen 11 Uhr haben, wenn Weber über ein Dutzend Bräter mit Schalet einschießt. Zuvor heißt es allerdings: reiben, reiben, reiben! Die Damen in der Bürgerhausküche mengen die Kartoffelmasse mit den vorbereiteten Zutaten und verteilen alles auf die bereitgestellten Formen. Wie Martin Jung später am Tag bei der Begrüßung der Gäste anmerkt, stammen die meisten verwendeten Erzeugnisse nicht nur aus der Region. Nein, mehr noch als das. Sie sind lokaler bzw. örtlicher Herkunft. So wuchsen die Kartoffeln in Kirch-Gönser Boden. Die Äpfel kommen von den Streuobstwiesen am Pohl-Gönser Emmersberg. Ebenso das Brennholz, welches von alten, abgängigen Obstbäumen stammt, die durch Neupflanzungen ersetzt wurden. „Manfred! Und hättet ihr euer Geschäft noch, unsere Zutaten wären beinahe zu 99 Prozent aus dem Ort.“, so Jung in Richtung von Metzgermeister Manfred Binzer, der mit seiner Frau Karin zu den Stammgästen des MiMit gehört. 

Anspannung macht sich breit. Wird es denn gelingen? Wird der Schalet durchgaren? Oder wird er womöglich verbrennen? Nervös verfolgen die Beteiligten wie das Hauptgericht im Ofen bäckt. Keiner in der großen Runde hat Erfahrung darin, Schalet im Backhaus zumachen. Die eine oder andere kritische Stimme ist daher im Vorfeld in Kirch-/Pohl-Göns zu vernehmen gewesen. Doch die Mittagstischler haben sich nicht beirren lassen. „Wenn die Erfahrung fehlt, muss man sie eben sammeln! Nur so lernt man dazu.“

Das Resultat spricht für sich. Wunderbar goldgelb und komplett gar wird der Schalet mit leichter Verspätung kurz nach halb eins serviert. Viele erfreute Gesichter sind im Saal zu erkennen. Einigen Gästen darf Nachschlag gereicht werden. Schalet und Apfelbrei werden gelob. Damit aber das deftige Essen nicht zu schwer im Magen liegt, braucht es wenig Überredung von Joachim Müller, als er anschließend Obstbränden ausschenkt. Als abschließendes Highlight an diesem genussvollen Tag, folgt noch das Dessert: frisch gebackener Pohl-Gönser Butterlochskuchen! Margot Morkel, Waltraud Spieß und Karin Morkel haben 5 Bleche davon gebacken und damit einen Miteinander-Mittagstisch gespickt mit traditionsreicher lokaler Küche perfekt abgerundet. 

„Da müssen wir dran bleiben.“, resümiert Günther Weber nach eineinhalb arbeitsreichen Tagen. Auch aus den MiMit-Reihen hört man unisono: „So etwas machen wir unbedingt mal wieder!“ Und so sieht der Essenplan des Kirch-/Pohl-Gönser Miteinander-Mittagstischs auch für 2025 immer mal wieder selbstgekochte Speisen vor. Dass diese nicht immer Hausmannskost sein wird, zeigt sich beispielsweise im Januar bereit. Unter Anleitung von Michael Morkel sollen Kürbis-Nudeln mit Garnelen, Tofuwürfeln, getrockneten Tomaten, Salbei und Walnüssen angerichtet werden.

Quelle: Martin Jung / Pohl-Göns

Bilder: Butzbacher Zeitung vom 22. November 2024