02.05.2000
Mit einer gelungenen akademischen Feier in der Kirche begannen am Samstag in Kirch-Göns die Veranstaltungen aus Anlass des 850-jährigen Jubiläums des Dorfes. Die unter Mitwirkung aller Dorfvereine gestaltete Feierstunde war ein Einstieg nach Maß und hat die schon hohen Erwartungen in die zukünftigen Festivitäten noch gesteigert.
Die Kirche war voll besetzt und auch im benachbarten Bürgerhaus verfolgten zahlreiche Interessierte die Veranstaltung per Videoübertragung. Zu der Feier waren nicht nur Kirch-Gönser Bürgerinnen und Bürger gekommen. Eine illustre Schar an Ehrengästen war an der Einladung nach Kirch-Göns gefolgt, darunter der Bundestagsabgeordnete Dr. Christian Schwarz-Schilling, die Landtagsabgeordneten Erika Fellner und Norbert Kartmann, Landrat Rolf Gnadl sowie Schirmherr Bürgermeister Oswin Veith, Ehrenbürgermeister Karl-Heinz Hofmann, der Langgönser Bürgermeister Horst Röhrig und viele Personen der heimischen Polit- und Geschäftsprominenz.
Mit dem Präludium von Johann Sebastian Bach, vorgetragen von Gitti Ferriduni an der Orgel, begann die Feierstunde um 16.00 Uhr. Hanspeter Tiedemann von der Interessengemeinschaft der Kirch-Gönser Vereine, der auch durch das Programm führte, begrüßte die Anwesenden, ganz besonders die über achtzigjährigen Kirch-Gönser Einwohner, die als Ehrengäste zur Veranstaltung eingeladen worden waren.
Danach begeisterte eine Gesangsgruppe des Kindergartens die Festgäste. In Hüttenberger Tracht trugen die Kinder ein Lied in Mundart und Hochdeutsch vor, das über die Geschehnisse eines Tages im Dorf berichtete. Zum Abschluss verteilten die Kinder Selbstgebackenes.
In seiner Ansprache ging Bürgermeister Veith auf eben diese Kinder ein. Sie seien der Kirch-Gönser Stolz und Reichtum. Die Kinder würden einmal das bewahren, was ihnen hinterlassen werde. Veith übermittelte die Grüße von Magistrat und Stadtverordnetenvorsteher zur urkundlichen Ersterwähnung von Kirch-Göns. Wenn auch die eigentliche Gründung im Dunkel der Geschichte liege, könne man davon ausgehen, dass mindestens dreißig Generationen das geschaffen hätten, was man heute in Kirch-Göns vorfinde. Besonders im Dorfkern begegne man auf Schritt und Tritt der Vergangenheit. Die Stadt Butzbach war und sei bemüht, diese Aufbauleistung fortzusetzen. Veith verwies in diesem Zusammenhang u. a. auf den vor der Vollendung stehenden Bau der Mehrzweckhalle. Zum Schluss seiner Rede dankte er den Ortsvereinen und allen Helfern für ihr Engagement bei den Festvorbereitungen und überreichte Hanspeter Tiedemann einen Scheck über 1.000, – DM.
In einem längeren Festvortrag beleuchtete der Butzbacher Museumsleiter Dr. Dieter Wolf die Kirch-Gönser Historie. Er berichtete über die Gehöfte der Jungsteinzeit auf Kirch-Gönser Gebiet ebenso über das Dorf an der Grenze, am römischen Limes. Nachdem die Römer unsere Gegend verlassen hatten, rückten in der Völkerwanderungszeit und dem Frühmittelalter germanische Gruppen nach. Der heutige Gönsbach erhielt damals den Namen Gunissa. Die germanischen Siedler nannten ihre Wohnungsplätze Gundissa oder auch Gunnisheim, das ganze Siedlungsgebiet Gunnesheimer, Gunissere oder Gunnosser Mark. So entstand die Gönser Mark, die über Jahrhunderte hinweg eine außerordentliche Rolle am Südrand des Gießener Beckens spielte. Der Ortsname Kirch-Göns sei mit „der Göns-Ort mit der Kirche“ zu übersetzen. Die Kirche selbst wurde schon vor der ersturkundlichen Erwähnung des Orts Kirch-Göns gebaut und ist heute noch in ihren wesentlichen Elementen erhalten. Mit einer ausführlichen Beschreibung der Kirch-Gönser Geschichte hat Dr. Wolf für die in Kürze erscheinenden Dorf-Chronik ein Kapitel gestaltet.
Der Schülerchor der Mittelpunktschule Oberer Hüttenberg erfreute unter Leitung von Gitti Ferriduni mit drei Liedvorträgen.
In ihrer Ansprache wies Pfarrvikarin Alke Witte darauf hin, dass die Kirch-Gönser Kirche über Generationen hinweg ein Ort war, der das Leben der Menschen entscheidend bestimmte. Mit der Kirche sei ein Ort gebaut worden, um den christlichen Glauben zu leben. Sie wünschte sich, dass das Gemeindeleben in Dorf und Kirche weiterwachsen und gedeihen würde.
Unter seinem Dirigenten Ralf Wittig spielte der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Kirch-Göns das Stück „Ich bete an die Macht der Liebe“.
Mit dem Mundartgedicht „mir ausm Hüttenberg“ stellte Gerda Eckhard in Hüttenberger Tracht unsere Heimat vor.
Der Kirch-Gönser Gesangverein von 1862 sang unter Leitung von Ruth Klön das Lied von Heinrich Schütz „Lobt Gott mit Schall“.
Als Höhepunkt der Feierstunde überreichte Landrat Rolf Gnadl im Auftrag der Landesregierung Kirch-Göns die Freiherr-vom-Stein-Ehrenurkunde, nachdem er die Grüße der Kreisgremien überbracht hatte. Mit der Verleihung der Ehrenurkunde wurde von der Landesregierung die von den Kirch-Gönser Einwohnern seit Jahrhunderten geleistete Arbeit für das Gemeinwohl gewürdigt. Die Pflege des historischen Bewusstseins soll damit gefördert werden. Trotz der Gebietsreform und der Integration von Kirch-Göns in den Verband der Stadt Butzbach, soll mit der Verleihung der Ehrenurkunde der Fortbestand der lokalen Identität gefördert werden.
Der Langgönser Bürgermeister Horst Röhrig beglückwünschte Kirch-Göns zu seinem Jubiläum und überreichte Hanspeter Tiedemann einen Scheck. Tiedemann dankte für die noble Geste der Nachbargemeinde.
Mit einer großen Überraschung wartete Werner Reusch auf, der die Glückwünsche der Pohl-Gönser Vereine zum Jubiläum übermittelte. Als Gastgeschenk überbrachte er eine beschriftete Holztafel aus dem Jahre 1881, die sich einst in der Kirch-Gönser Kirche befand. Seit vielen Jahrzehnten war sie verschwunden. Die Tafel wurde ihm vor einiger Zeit anvertraut mit der Bitte, sie bei einem gebührenden Anlass an ihren Ursprungsort zurückzuführen. Die Holztafel ist noch mit einer Jahrhunderte alten Farbschicht versehen und somit für Historiker sehr wertvoll. Als im Jahre 1881 die Kirche renoviert wurde, hatten mehrere Handwerker dies auf der Tafel zusammen mit anderen Anmerkungen vermerkt. Mit dem Geschenk der Pohl-Gönser Ortsvereine kehrt ein wichtiges Zeitdokument an seinen ursprünglichen Platz zurück.
Der offizielle Teil der Feierstunde in der Kirche endete mit einem Schlusswort von Ortsvorsteher Rolf Schulze und dem Musikzug, der mit dem Spielen der Nationalhymne einen würdigen Schlusspunkt setzte.
Anschließend feierten die Kirch-Gönser zusammen mit ihren Gästen noch lange im Bürgerhaus bei einem zünftigen oberhessischen Büffet mit Hausmacher Wurst sowie Handkäs mit Musik.



