Museumstag – Zwei Führungen und eine „Zeitreise“ im Museum Butzbach / Nur ein Kind angemeldet
Kirch-Göns und Wolfi: Das waren groß zusammengefasst – die Protagonisten des 40. Internationalen Museumstages in Butzbach. Unter dem Motto „Sammeln verbindet – museum collections make connections“ öffnete das Museum der Stadt kostenlos seine Pforten. Doch den Nachwuchs vermissten die Damen des Butzbacher Künstlerkreises. Eigentlich wollten sie mit den Kindern und dem mittlerweile berühmt-berüchtigten Wolfi eine Zeitreise in 150 Jahre Butzbacher Geschichte wagen. Doch daraus wurde mangels zeitreiselustiger Kinder nichts – gerade einmal ein Junge hatte sich bei der stellvertretenden Vorsitzenden des Künsterlerkreises, Renate Rademacher-Nick, gemeldet. Während Museumsleiter Dr. Dieter Wolf am Morgen traditionell durch die Butzbacher Geschichte führte, lud am Mittag Gail Schunk vom Butzbacher Geschichtsverein zu einer Führung durch Kirch-Göns ein. Schunk ging es vor allem um die dörfliche Entwicklung – die nach den neuesten Erkenntnissen alles andere als typisch war. Dabei darf davon ausgegangen werden, dass schon die Germanen am Gönsbach („In den Rödern“) lebten und somit als die ersten Bewohner des Kirch-Gönser Grund und Bodens gelten düften. Rund 500 Meter in Sichtweite lagen seinerzeit zwischen der Siedlung und dem römischen Reich, dessen Limes bis 100 nach Christus lediglich aus einem Postenweg bestand. Eigentlich lebten in der Wetterau vor allem Rhein-Weser-Germanen: In Kirch-Göns war -wie so oft noch in seiner Geschichte – alles ein wenig anders. Die „Mattiaker“ hatten sich am Gönsbach niedergelassen, um mit den Römern Handel zu treiben. Deutlich später geschah die eigentliche Gründung des heutigen Butzbacher Ortsteils. 1147 oder 1153 sei Kirch-Göns, noch damals bekannt unter dem Namen „Kirchunnesse“ erstmalig erwähnt worden. Hier habe man sich auf die Siedlung an der Gönser Kirche bezogen. Die Erbauung des heutigen Kirchturmes könnte nach Schunk noch in dieser Zeit geschehen sein. Indes stelle der Turm die Butzbacher Forscher vor ein großes Rätsel. Viele der dort verbauten Bildwerke können nicht eindeutig identifiziert werden, da die Herkunft teils fraglich ist. Fest stehe jedoch, dass der Kirchturm eine wichtige Funktion für das Dorf erfüllte: „Vom Turm aus haben die Kirch-Gönser immer wieder die fremden Armeen, die auf der Weinstraße vorbeizogen, beobachten können. Dank des Kirchenbuches sei vieles vom damaligen Leben überliefert. Auch wenn 1541 mit den Protestanten ein neuer Wind im Gotteshaus wehte, wurde erst 1637 ein Kirchenbuch geführt. Neben der Funktion als Geburten-, Ehe- und Todesregister, erfüllte das Buch eine wichtige Funktion als Gesellschaftsdokument. Besonders schwer hatten es die Kirch-Göns auch während des Siebenjährigen Krieges von 1756 bis 1763. Französiche Truppen hatten sich zwischendurch in dem wohlhabenden Dorf einquartiert und plünderten die Gemeinde. Bisher weitestgehend unberücksichtigt blieben die Auswanderungswellen. Aber auch hier zeichnete sich ab: Die Kirch-Göns sind ein bisschen anders. Während die Bewohner von Espa oder Nieder-Weisel wegen Armut und Hungersnot in die Vereinigten Staaten emigrierten, verließen die Kirch-Gönser ihr Dörfchen nur aus einem Grund: Weil sie woanders noch bessere Ausbildung bekommen konnten. Besonders die Niederlande waren bei den „Hollandgängern“ sehr beliebt und boten den Landwirten Ausbildungsmöglichkeiten als Schiffsbauer, Goldschmied oder Handwerker. Rückkehrer gab es zur damaligen Zeit nur wenig, so Schunk. Ebenfalls zeuge des Kirch-Gönser Wohlstands sind neben den bedeutenden Familien wie Clemm oder Clotz auch die großen Höfe. Mit feinstem Holz seien die Häuser gebaut worden – wahrscheinlich sei das Baumaterial aus dem Spessart über Hanau eingeschifft worden. Als Grund für den finanziellen Wohlstand nannte Schunk vor allem den reichhaltigen Boden und die große Sparsamkeit der Dorfbewohner. Die Sparsamkeit zeige sich auch heute noch im großen privaten Fundus an Hüttenberger Trachten. Während es bei den Solmser Dörfern üblich war, die Tracht den Klageweibern und deren Kinder zu schenken, gab es diese Tradition in Kirch-Göns nicht. Entsprechend mussten auch die größeren Kleidungsstücke nicht an die kleinen Körpergrößen der Kinder angepasst werden – damit blieben die Trachten der Nachwelt erhalten. Insgesamt zufrieden zeigte sich Museumsleiter Wolf mit dem Besucherinteresse am 40. Museumstag. Mehr als 50 Gäste hätten er und seine Mitarbeiter begrüßt. Die Ausstellung über Kirch-Göns kann noch bis zum 9. Juni besucht werden.

Gail Schunk (linkes Foto) führte am Sonntag durch die Geschichte von Kirch-Göns. Die Sonderausstellung ist noch bis zum 9. Juni im Butzbacher Museum geöffnet. – Auch wenn es deutlich weniger Kinder waren als erhofft, gab es dennoch jede Menge zum Ausmalen im Museum (rechtes Foto).
Quelle und Bilder: Butzbacher Zeitung vom 20. Mai 2014