Der Kaiser machte mit dem Auto Station

Ausstellungseröffnung „Kirch-Göns im Wandel der Zeit“ Thema im Butzbacher Museum

Das ihr Dorf etwas ganz Besonderes ist, dass wussten die Kirch-Gönser irgendwie schon immer. Doch jetzt ist es auch offiziell: Archäologin Gail Schunk hatte in Zusammenarbeit mit dem Butzbacher Museum, dem Geschichtsverein für Butzbach und Umgebung sowie dem Förderkreis des Museums eine Ausstellung zum heutigen Butzbacher Stadtteil zusammengestellt, die am Dienstag unter dem Titel eröffnet wurde und von „Kirch-Göns im Wandel der Zeit“, welches parallel von weiteren Veranstaltungen im Sommer begleitet wird. Gestartet war die Reihe um Kirch-Göns bereits Ende April. Bei einer Ortsführung klärten Schmunk, Museumsleiter Dr. Dieter Wolf und der Kirch-Gönser Heimat- und Backhausverein über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der momentan laufenden Forschungsarbeiten auf. Erster Stadtrat Manfred Schütz würdigte die Arbeit der Archäologin und ihren Kollegen. Sie habe bewiesen, dass Dorfgeschichte weit mehr sei, als nur eine Randnotiz. Für Schütze spielte gerade bei der Aufbereitung der Fakten das Butzbacher Museum eine große Rolle. Es sei abermals deutlich gemacht worden, dass das Museum nicht nur Themen für die Kernstadt offerierte, sondern in seinem Angebot deutlich breiter aufgestellt sei. Neben einem großen Dank an die Familie Schunk richtet Wolf auch mahnende Worte an die Gekommenen. Damit das Museum und die dort geführten Archive auch weiterhin ihre Legitimation behalten, bedürfe es mehr Zuspruch aus der Bevölkerung. Deshalb appellierte Wolf eindringlich, sowohl die Ausstellung als auch die angebotenen Führungen und Vorträge zahlreich zu besuchen. „Es ist eine schöne Ausstellung geworden!“, stellte der Museumsleiter fest. Zu sehen sind vor allem Fotos, Trachten und Ausgrabungsfunde. Letzterer seien in der Ausstellung jedoch in der Unterzahl: Denn nicht alle der wenigen Funde konnten so aufbereitet werden, dass es für die Vitrinen gereicht hätte. Auch der Kirch-Gönser Ortsvorsteher Stefan Euler war über die neuesten Erkenntnisse mehr als erstaunt. Für ihn sei die Arbeit des Museums sehr bedeutend. Zu den Befürchtungen von Wolf sagt er: „Für mich ist die Ausstellung Legitimation genug“. Neben den vielen informativen und interessanten Details, sei es durchaus faszinierend, Neues über die eigene Dorfgeschichte zu erfahren. Dadurch könne man mehr über die eigene Geschichte und Kultur lernen. Auch an den Kirch-Gönser Chor, der die Eröffnung musikalisch begleitete, richtete Euler Dankesworte. Udo Zitzer vom Förderkreis schloss sich den Dankesworten an: Man sei sehr stolz darauf, die Forschungsarbeiten und vor allem die Ausstellung finanziell unterstützen zu dürfen. Er verbinde Kirch-Göns vor allem aber mit drei Daten: 15. Dezember 1902, 1. Mai 1906 und 12. Februar 1915. Im Dezember sei die Haltestelle der Main-Wester-Bahn eröffnet worden und ersparte somit den Dorfbewohnern einen langen Fußmarsch nach Butzbach beziehungsweise Gießen. Rund vier Jahre später sei überdies Kaiser Wilhelm II am 1. Mai 1906 auf einen Abstecher mit seinem „Automobil“ in die Ortschaft gekommen. Damals sollten die Bürger in ihrer Hüttenberger Tracht den Kaiser empfangen haben. Das muss fantastisch ausgesehen haben“ so Zitzer. Und im Februar 1915 sei in Kirch-Göns das erste elektrische Licht eingeschaltet worden. Für Gail Schunk war die Forschungsarbeit eine ganz besondere Herzenssache, verriet sie vor der Eröffnung der Ausstellung. Sie habe sich schon früh für „Dorfgeschichte“ interessiert. Den Begriff „Dorf“ verbinde sich vor allem mit „Gemeinschaft“. Ihre erste Begegnung mit „Dorfgeschichte“ machte Schunk während Studien zu Nieder-Weisel. Diese „eigenwillige Ortschaft“ habe sie fasziniert: Denn hier wurde ganz klar mit dem Fürsten verhandelt. Und zwar nicht um irgendwelche und unbedeutende Themen, sondern über die eigenen Rechte Schunk hoffte, auch noch in den anderen Butzbacher Ortschaften ähnlich „Kurioses“ zu finden. Und die Butzbacher haben sie nicht enttäuscht. „Die Dörfer hier haben Power, nicht so wie im Taunus“, scherzte die Archäologin. Derzeit sei man noch am Anfang der Kirch-Gönser Forschungsarbeiten. Gleichwohl habe man schon viel Neues herausgefunden. Die Daten müssten nun sorgfältig ausgewertet werden. Nichtsdestotrotz stand am Dienstagabend fest: Die Kirch-Gönser sind ein einmaliges Völkchen. Selbstbewusst, fleißig, wohlhabend und irgendwie auch ein bisschen durchdrungen mit Bauernschläue. Bis zum 9. Juni ist die Sonderausstellung zu besichtigen. Weitere Butzbacher Ortsteile sollen in Zukunft folgen.

Die Kirch-Gönser lassen sich eine Ausstellung über ihren Ort Teilweise noch aus der Römerzeit stammen
nicht entgehen. manche der wenigen archäologischen Funde.

Quelle und Bilder: Butzbacher Zeitung vom 15. Mai 2014