Große Resonanz fand auch der Mundartgottesdienst / Viel Musik und Volkstänze
Zum 20. Jubiläum des Kirch-Gönser Backhausfestes herrschte gestern den ganz Tag lang „Kaiserwetter“ mit blank geputztem blauem Himmel, keinen Wölkchen am Firmament und folglich einem der besten Sonnenscheintage dieses zu Ende gehenden Sommers. Da strahlten die Mienen der Verantwortlichen des veranstaltenden Backhausvereins, der auch diesmal wieder keine Kosten und Mühen gescheut hatte, das in ganzen Familienverbänden erschienene Publikum auf das Beste zu unterhalten mit dörflicher Musik und Tanz sowie hausgemachten Spezialitäten aus dem Dorfbackhaus zu verwöhnen, jenem Gebäude, dem früher neben Kirche und Schule aus guten Gründen die höchste Bedeutung im Ort zugemessen wurde. 96 Helferinnen und Helber hatte der Heimat- und Backhausverein aus den eigenen Reihen und mit Unterstützung von Kleintierzuchtverein, Musikzug, Turnverein und Freiwillige Feuerwehr aufgeboten, um den Besucherscharen nur das Beste anzubieten. Ein großer bunt geschmückter Tanzboden auf der abgesperrten Hauptstraße stand für das mehrständige, vom Vorstand zusammengestellten Programm bereit. Den Anfang machte um 11 Uhr ein gut besuchter Mundartgottesdienst mit Pfarrer William Thum, den sich auch Bürgermeister Oswin Veith nicht entgehen ließ. Das Publikum saß im Schatten der alten Dorflinde, während der gut aufgelegte Vereinsvorsitzende Günter Weber in Kirch-Gönser Ortsmundart die Anwesenden willkommen hieß, ein Gedicht des mittelhessischen Heimatpoeten Emil Winter (Heuchelheim) zitierte und den Mundartgottesdienst „off Plattt“ angekündigte. Schriftlesung und Liturgie wurde so gesprochen, wie in Kirch-Göns den meisten Menschen der Schnabel gewachsen ist. Pfarrer Thum verkündete als geborener „Bernemer Bub“ erstmals an einem Backhausfest das Wort Gottes in der alten Bauernsprache. Wenn Günter Weber als in der Dialektsprache aufgewachsener Kirch-Gönser bekunde, er sei aufgeregt, vor Publikum längere Passagen in seiner Muttersprache zu reden, was solle er denn da sagen, fragte Thum augenzwinkernd. Da kam in der Gemeinde Freude auf, als der Pfarrer und die drei Kirch-Gönserinnen Ilse Schepp, Leni Braasch und Martina Ilge als Trachtenfrauen in Kirch-Gönser Ortsmundart die Fürbittgebete sprachen und die Schriften lasen. Die Aktiven des Gesanvereins 1862 Kirch-Göns stimmten begleitet durhc Kirchorganist Hans Ilge die Gesangbuchlieder an, deren Auswahl (unter anderem Paul Gerhardts „Geh aus mein Herz“) ganz auf den fröhlichen Anlass des Backhausfestes abgestimmt waren. An den Gottesdienst schloss sich das Mittagessen mit Spezialitäten aus dem Backhaus und vom Grill an. Angesichts der Hitze des Tages war unter den Getränken Mineralwasser sehr begehrt und ab 14 Uhr frisch gebrühter Kaffee. Denn nach dem offiziellen Beginn lief nicht nur das Programm auf der Bühne ab, sondern öffnete auch die Kuchentheke im Bürgerhaus. Dort gab es frisch vom Bleck die beliebten Kirch-Gönser Backhaushefekuchen: entweder mit goldgelb gebackenen Streuseln belegt, mit „Butterlöchern“ übersät oder zentimeterhoch mit Zwetschen und Guss drapiert. Die allerjüngsten Tänzerinnen und Tänzer des Vereins eröffneten nach der Begrüßung durch Günter Weber das Programm mit dem „Robinson“-Tanz als Premiere. Der Nachwuchs, bei dem sich einige der Kinder erst kurz vor den Sommerferien eingefunden haben, zeigte kaum Lampenfieber und legte in den neuen orangenfarbenen T-Shirts (auch die ersten kleinen Trachtenträgerinnen wirkten mit) einen tollen Auftritt auf die Bühne. Da freute sich insbesondere die Leiterin Simone Eckhard. Denn sie hatte mit den Jungen und Mädchen eifrig geprobt. „Durch die Tore“ und „Zwei Eimer Wasser pumpen“ hießen die beiden nächsten Auftritte, ehe die „große“ Jugendtanzgruppe nahte, deren grüne Mädchentrachten auf viel Beifall stießen. Diese Nachwuchsgruppe besteht seit 1994 und wird von Anfang an von der Gründerin Simone Eckhard geleitet. Getanzt wurden der „Watzenborner“, der „Schwarzerdler“, die „Sternpolka“ und die „Holsteiner Dreitour“. Simone Eckhard machte ihre Ansagen und Günter Weber schritt zur Ehrung. Vier Mitglieder seien seit 10 Jahren dabei und mittlerweile so etwas wie das Herzstück der jungen Truppe: Lisa Bunfill, Janina Schmidt, Marion Dietrich und Patrick Wolf erhielten eine besondere Auszeichnung, ebenso Simone Eckhard für die gute langjährige Betreuung. Mit „Cotton-Eye-Jo“ endete die Vorstellung. Dann war die Westerwälder Volkstanzgruppe Waldbrunn-Hausen an der Reihe. Diese Volkstanzgruppe besteht aus zehn Damen. Sie stellten in ihren typischen Trachten (schwarze Bänder im Haar, bestickte schwarze Schultertücher, weiße und blaue Schürzen, lange Kattun-Röcke) Tänze und Mundart, Gedichte und Anekdoten aus dem Westerwald vor. Dabei erfuhr man viele Einzelheiten über das Brauchtum, das Wetter, die Gepflogenheiten, das Essen und den Humor der „Wäller“, wie sich die Westerwälder nennen, seitdem ihr Heimatdichter Adolf Weiß den Ruf „Hoi, Wäller! Allemohl!“ geprägt hat. Interessant zu hören war auch die Hausener Mundart, die bereits Einflüsse aus dem Rheinischen, dem Sieger- und Sauerländischen hat. Günter Weber überreichte zum Dank den Damen ein Gastgeschenk, und die nahmen dafür den Kirch-Gönsern das Versprechen ab, demnächst den Hausenerinnen einen Gegenbesuch abzustatten. Anschließend hatte sich der ehemalige Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr Kirch-Göns angesagt. Die Herren im besten Alter werden von Christine Lembke dirigiert und besitzen eine erstaunlich hohe Qualität, obwohl man sich zu Übungszwecken nur alle vier Wochen einmal trifft. Aber gelernt ist halt gelernt. Auf dem Spielmannszug, der mit großem Beifall verabschiedet wurde, folgte der Auftritt der Volkstanz- und Trachtengruppe Grüningen mit Tänzen und Hüttenberger Mundart. Auch die „Groininger“ wurden mit viel Applaus bedacht. Wie üblich gab es anschließend ein Platzkonzert mit beliebten Melodien. Diese Mal hatte sich der Musikverein 1963 Allendorf/Lahn eingefunden, um mit Blasmusik aus Böhmen („Rosamunde“) die Herzen der Besucher höher schlagen zu lassen. Den Schlusspunkt setzte um 19.30 Uhr der Auftritt der Tanzgruppe „Pee Gees“ aus Pohl-Göns mit modernen Einstudierungen.
Den ganzen Tag geöffnet war im 1. Stock des Bürgerhauses die Ausstellung „Aus Küche und Kammer“. Vorgestellt werden aus der umfangreichen Privatsammlung des Kirch-Gönsers Dieter Pfeiffer Behältnisse und Gerätschaften, Gläser, Menagen, Dosen und
Büchsen für Gewürze, Kaffee, Reis, Mehl, Zucker, Graupen und vieles mehr. Es fehlen auch andere Utensilien nicht, die in früheren Zeiten die Küchen, Vorratskammern, Zimmer, Stuben und Gemächer im Bauerhaus zierten. Es gab ganze Anrichten zu sehen mit Löffeln, Messern, Gabeln aller Größen, Gurkenhobeln, Bohnenschnipplern, Fleischwölfen, Töpfen, Seihen und Tellern aus irdenem Gut oder Metall und Holz. So manche Kostbarkeit war da zu entdecken, etwa die alten Porzellanmenagerien aus Meißner und Thüringer Keramik, die in Urgroßmutters Küche ihren Platz hatten und nun, als Sammelobjekte hoch begehrt sind, ähnlich wie die Zeppelin-Menagen, deren stolzer Besitzer Dieter Pfeiffer („Es gibt sie noch, die guten alten Dinge!“) geworden ist. Auf Beachtung stieß auch die alte vierbeinige Miele-Waschmaschine aus den fünfziger Jahren, die Alma Hanack zur Verfügung gestellt hatte und im Bürgerhaus-Foyer aufgestellt worden war.

Mit einem Mundartengottesdienst begann am Sonntag das wieder bestens besuchtes 20. Kirch-Gönser Backhausfest.
Quelle und Bilder: Butzbacher Zeitung vom 6. September 2004